etiketten, pferde und multidemensionen


eigentlich wollte ich mich ja zurückhalten und meinen senf nicht dazugeben. heute ist das fass aber übergelaufen.

ich habe gestern im radio gehört, dass unser österreichischer “pferdefleischskandal” in deutschland “etikettierungsskandal” heißt. das finde ich viel besser. erstens weniger reißerisch und zweitens passender. es geht ja nicht darum, dass pferdefleisch das problem wäre. gut, das pferdefleisch, um das es im aktuellen skandal geht, scheint wirklich problematisch zu sein. aber medial wird ja auf einer ganz anderen ebene diskutiert.

“würg!!!” antwortete kürzlich jemand auf meine frage, wem ich denn von meinem gang zum fleischhauer eine leberkäsesemmel mitbringen soll. normalen leberkäse, zu dem zeitpunkt war von pferd noch keine rede. leberkäse = grauslich. was das alles zerschreddert, vermantschkert und zusammengepickt wird, zum schluss sind da auch noch schweinsaugen und knorpel drin. würg! und in deutscher dönerfleischmasse fand man angeblich katzen-, hunde- und nagerfleisch. das ist ja noch viel mehr würg. so wird gerade diskutiert. und das streift das problem nur.

wer ein bisschen weiter schaut, ortet, dass pferdefleisch grundsätzlich gar nicht grauslich ist. bisweilen wird sogar seine ernährungsphysiologische erhabenheit  herausgearbeitet. ja, eh. aber auch das ist wieder nur ein aspekt.

die armen pferde!  mein lieblingsargument! mir waren pferde ja schon immer als leberkäse am liebsten. die pferdenarrischheit vieler kindheitsfreundinnen hat mich nachhaltig traumatisiert. gut, ich gebe zu, das ist auch unqualifiziert und als argument unbrauchbar. aber: es ist nicht nachvollziehbar, dass bei pferden und noch viel mehr bei katzerln und hundsis alle “oh gott! die armen!” schreien, bei ratten, mäusen, meerschweinchen “pfui!” und bei schweinen, rindern, hendln “mmhhhh!”. es ist leicht erklärbar, warum, aber nicht, dass es so ist.

etikettierungsskandal ist deshalb viel passender, weil eben nicht das pferdefleisch das problem ist. gutes, also tiergerecht gehaltenes, ebenso gefüttertes und respektvoll getötetes pferd in maßen ist in jeder ernährungshinsicht voll ok. das problem, und da stimme ich auch voll und ganz zu, es als “skandal” zu titulieren, ist, dass man den leuten was verkauft, wo nicht drin ist, was draufsteht. und wo nicht draufsteht, was drin ist. aber selbst das ist immer noch weit nicht genug der diskussion.

der skandal, wie auch immer er genannt wird, hat viele ursachen: massentierhaltung, preisdruck für die produzentInnen, viel zu hohe nachfrage nach fleisch, konsumentInnenwunsch nach billigem, um ein paar zu nennen. folglich sollte er auch multidimensional diskutiert werden. vor allem aber müssen die lehren und veränderungen, die dem skandal hoffentlich folgen werden, seiner multidimensionalität gerecht werden. darum ersuche ich alle beteiligten: politik, produzentInnen, verarbeiterInnen, konsumentInnen.

konventionalisierung


pfuh, hab’ ganz schön viel gelesen in letzter zeit. und geschrieben. und recherchiert. den bio-schmäh von clemens arvay zum beispiel. oder den bio-bluff von hans-ulrich grimm. und noch zirka zehn titel, die in ein ähnliches horn stoßen. weiters veranstaltungen besucht, wo’s auch unausweichlich ein thema war: die konventionalisierung von bio.

was ich genau davon halte, da bin ich mir immer noch nicht ganz sicher. ich weiche dem lieber aus und sage das: die konventionalisierung von bio ist ja nur ein trend. es gibt aber auch einen anderen. mir geht eine wortmeldung einer teilnehmerin einer diskussionsrunde nicht mehr aus dem kopf. sie fasste meine erklärungen, was bio bedeute, resigniert zusammen: „das heißt also, ich muss auf vieles verzichten.“ ja, so kann man es sehen.
ich sehe es aber ganz anders, und viele sehen es wie ich: wir sehen nicht den verzicht, sondern die freude. (dass verzichten notwendig ist, um überhaupt genießen zu können, bleibt hier undiskutiert.) wir sehen uns nicht als außenstehende verbraucherInnen, sondern wollen die nähe zu den produzentInnen, zum teil sogar selber anbauen und ernten, und das essen, was in der nähe und in der jahreszeit eben da ist. wir wollen die tiere streicheln, die wir später essen. manche von uns wollen sie sogar selber schlachten. wir wollen einfachheit, freuen uns am puren geschmack der guten qualität. wir mögen das überschaubare sortiment und einkaufen ohne langes suchen und mühsame entscheidungen. wir suchen die langsamkeit, wollen sie spüren beim einkaufen, zubereiten und essen. ein tratscherl mit der marktfrau, rezepte austauschen im bio-laden. wenn ich bei brigitte im hofladen einkaufe, bin ich nicht selten eine ganze stunde drin, weil wir uns so viel zu erzählen haben. wir wollen fair bezahlen, weil sich nur ein faires geschäft gut anfühlt.
unsere zeichen sind nicht zu übersehen: guerilla-gardening, gemeinschaftsgärten in der stadt, gemüse-züchtungen auf balkonen und terrassen, kräutergärten auf fensterbrettern, brotbackkurse, einkoch-workshops, slow food.
jetzt gerade, während ich diese zeilen schreibe, ist franz wirth auf lieferreise in wien. er bringt mir die nächste ration sonnenschwein-produkte, bleibt auf einen kaffee und ein tratscherl, und ich gebe ihm als dankeschön fürs liefern selbstgemachte bitterorangenmarmelade mit.

bio-romantik? aber ja! wir wollen genau die romantik, wegen derer wir mitunter belächelt werden. und wir lächeln zurück. weil wir herausgefunden haben, dass es diese romantik gibt und dass sie glücklich macht.

sto(ß)suppe


katholischer sozialisierung sei dank für diese fastenköstlichkeit!
bei uns gab es sie jeden aschermittwoch und karfreitag: die stosuppe, auch stoßsuppe geschrieben. wie ich kürzlich lernte, ist sie schon in oberösterreich unbekannt. das rezept ist von der mostviertler oma überliefert. es ist denkbar einfach und binnen fünf minuten fertig.

hier das rezept für alle traditionalistInnen unter euch (für 4 personen):
je 1/2 l milch und wasser mit einem tl kümmel und 1-2 tl salz zum kochen bringen. 1 becher rahm mit 1 gehäuften el mehl glattrühren und mit dem schneebesen in die kochende milch-wasser-mischung rühren. einmal aufkochen lassen, dabei ständig rühren. mit einem spritzer essig und eventuell noch etwas salz (und manche geben auch pfeffer hinein) abschmecken. dazu altbrotbröckerl oder g’reste erdöpfe.

marmalade, die ganz echte!

marmalade, die ganz echte!


eigentlich mag katharina keine organgenmarmelade. sie hat dennoch welche gemacht, in gewohnt und geliebt enthusiastischer manier. sehr zum glücke von klaus. klaus liebt orangenmarmelade. und ich liebe klaus. als es dann in schönbrunn noch pomeranzen abzugeben gab, war das wochenendprogramm fix.

jetzt sind wir müde, aber sehr glücklich. nach zwei stunden pomeranzen waschen, auspressen, ausschaben, schalen schnippeln (die akribie hierfür leistete klaus) gestern, und sieben stunden kochen, pantschen, pressen, vermengen, wieder pantschen, kochen, rühren und patzen (eine etwas detaillierte arbeitsanleitung gibt’s im obigen link) und noch einmal pantschen, kochen, rühren und patzen (weil ich zwei kilo pomeranzen gekauft hatte – wenn schon, denn schon! – daraus aber fast fünf liter marmalade werden und wir nicht so einen großen topf haben, musste die chose in zwei chargen erfolgen), heute, also nach insgesamt neun stunden schweißtreibender arbeit, erschwert noch von der post-flüchtlingsballigen verkaterung, sind wir nun überglückliche besitzerInnen von 22 gläsern allerherrlichster echter marmalade.

ich verschreibe mich nicht dauernd, es handelt sich tatsächlich um marmAlade. echte englische orangenmarmelade, ganz echt aus bitterorangen, pomeranzen eben.

jetzt macht’s dauernd knack! knack! knack! in der küche. die deckel der twist-off-gläser beugen sich dem vakuum. ach, das ist alles herrlich! ein slow-food-selbermachtag hinter uns, wunderbarer duft, der wohl noch einige zeit in der wohnung bleiben wird, und die aussicht auf viele, viele frühstücke mit marmalade. und wie viele liebe genießerfreundInnen man damit beschenken kann!

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