Das einleitende Warum spare ich mir, das habe ich bereits ausgeschlachtet (uhh! Wortwitz!), nämlich z. B. hier.
Vor kurzem war ich wieder bei einer Schlachtung dabei. Dieses Mal Hendl, Bio-Wildmasthuhn, um genau zu sein. “Wildmasthuhn” ist natürlich ein Euphemismus, denn dabei handelt es sich auch um Hybride mit großem Fleischansatz, was ja punkto Ressourceneinsatz, sprich: Futtermenge, weit nachhaltiger ist, als beispielsweise Bruderhahn-Krewecherl zu mästen. Ja, leider, eine ernährungsökologische Sichtweise führt unweigerlich und immer in die Komplexität. Das bleibt hier jetzt so stehen, denn ich will was erzählen, nicht dozieren.
Wildmasthühner kommen vor allem im Bio-Bereich zum Einsatz und werden normalerweise um die 10 Wochen gemästet. Zum Vergleich: Die konventionellen Turbo-Kolleg*innen werden nach ca. 30 Tagen geschlachtet.
Valentin Seiringer, Spross einer befreundeten Familie, ist ausgebildeter und ausgezeichneter (Bio-) Bauer und experimentiert gerne. Zum Beispiel mit Bio-Masthühnern. Von denen kürzlich wieder eine Partie geschlachtet wurde.
Da Valentin weiß, wie sehr mich das Thema interessiert, hat er mich schon beim ersten Mal vor einem guten Jahr eingeladen, mitzuarbeiten. Ich war damals freudig dabei, und kürzlich wieder.
Als ich in der Früh (meiner Früh *grins!*) auf den Hof kam, war natürlich alles längst aufgebaut und alle Hände schon am Arbeiten: In der Einfahrt standen das elektrische Betäubungsgerät, die Schlachttrichter, die Rupfmaschine und eine große Kiste, bedeckt mit einer Decke, in der die eingefangenen Hendln saßen. Ganz ruhig. Wahrscheinlich, weil sie den Kontakt mit Menschen gewohnt waren. Hier wurden die Hendln von zwei Profis fachgerecht geschlachtet: mittels Elektroschock betäuben, kopfüber in den Schlachttrichter stecken, Kehle mit einem scharfen Messer durchschneiden, ausbluten lassen. Dann ins Heißwasserbad, danach in die Rupfmaschine.
Die Schlachtkörper wurden dann in den Verarbeitungsraum getragen. Dort arbeiteten an einem großen Nirosta-Tisch drei Personen (kurz darauf mit mir vier), deren Aufgabe es war, die Transformation vom Schlachtkörper zum Fleisch zu vollziehen. Das geschah semi-professionell, was nicht so schlimm war, weil die Hendln ja nichts mehr spürten: M. und S. waren schon halbwegs versiert, P. das erste Mal dabei, und ich hatte vom letzten Mal alle Handgriffe wieder vergessen. Beim Ausnehmen des ersten Hendls ist mir gleich einmal die Gallenblase geplatzt. Das ist worst case, denn die giftgrüne Flüssigkeit ist extrem bitter und vergällt alles, womit sie in Berührung kommt.
Ich bin dann aber recht schnell wieder in den modus operandi gekommen. Der geht so: 1. Kopf und Füße (beim Kniegelenk) abschneiden. 2. Kragenloch stechen und Luftröhre ausfädeln. 3. Bürzeldrüse ausschneiden. 4. Unterbauch aufschneiden. 5. Innereien und Gedärm entnehmen. (Das ist sensorisch das Eindrucksvollste: Weil a) Das Hendl ist innen sehr warm. Das kann vom Heißwasserbad herrühren, eher aber – weil im Schlachtkörper selten Wasser drin ist – von der hohen Körpertemperatur der Vögel. Die haben ja, in Menschenmaßen gemessen, Dauerfieber. b) Das Herausziehen der Eingeweide ist oft mit einem schmatzenden oder Flatulenz-ähnlichen Geräusch verbunden. Bei dem wir natürlich immer lachen mussten. c) Manchen Hendln entfährt an diesem Punkt noch eine Portion Kot. Auch da, in dieser Reihenfolge: grausen, lachen, mit dem Schlauch zwischenreinigen.) 6. Die “guten” Innereien (Leber, Herz) ins Töpfchen, die “schlechten” (Galle, Magen, Darm und was es sonst noch gibt, das ich nicht verlässlich identifizieren konnte) ins Kröpfchen, sprich: in den Kübel. 7. Lunge herausfizeln (die beiden Lungenflügel “picken” relativ fest innen am Rücken). 8. Kloake (die 3-in-1-Öffnung am Ende des Hendls) herausschneiden.
Danach wurden die Schlachtkörper gut gewaschen und durchgekühlt, bevor wir sie vakuumverpackt und zur Abholung bereitgemacht haben.
Das gesamte Procedere fand unter Einhaltung aller Auflagen für die bäuerliche Hofschlachtung statt, wenngleich so manches Detail vielleicht eher nach Workaround ausschaut (Wäscheständer!).
Zwischen dem Kühlen und Verpacken haben wir übrigens Mittaggegessen: Hendlschnitzel (ja, die!) mit Erdäpfelsalat. Höchster Genuss! Und während des Ausnehmens haben wir freudig getratscht, gescherzt und gelacht.
Denn ja, das geht zusammen: Tiere töten – nichts Anderes ist eine Schlachtung, auch wenn es “nur” Nutz- und keine Kuscheltiere sind – und ein gutes Gefühl. Tiere, die anständig gehalten und professionell geschlachtet wurden; und in einer Atmosphäre verarbeitet, die die Würde der Tiere wie auch jene der arbeitenden Menschen erhält.
Valentin und Team, ich sage wieder einmal vielen Dank für diesen lehrreichen und, ja, schönen Tag! Und natürlich für die Gegenleistung für meine Mitarbeit: ein feinstes Bio-Wildmasthuhn, jede Menge Lebern und Herzen, ein köstliches Mittagessen und eine Flasche feinstes Rapsöl. Dazu gibt’s hier die Geschichte!