ö1 isst bio-fleisch. nachhören!

ö1 isst bio-fleisch. nachhören!


paul schiefer hat für das ö1-wirtschaftsmagazin saldo die ökonomische dimension der nachhaltigen fleischproduktion beleuchtet. ich finde, das ist ihm hervorragend gelungen.
ab 10:44 darf ich den beitrag mit meinem senf aus der konsumentInnen-und-ernährungsexpertInnen-kombinationsperspektive garnieren.

hier geht’s zur ö1-sendung. nachhören ist bis freitag, 23. jänner 2015, 9 uhr, möglich.

und weil heute freitag ist und das so gut passt, möchte ich diesen beitrag hiermit auch für den tierfreitag nominieren.

 

milch-bashing, nächste runde … und bisher die dümmste

milch-bashing, nächste runde … und bisher die dümmste


das milch-bashing geht in die nächste runde! “drei gläser milch am tag können tödlich sein” titelte die bild-zeitung gestern als ihr resümee einer schwedischen studie, erschienen im british medical journal.
und nicht nur die bild-zeitung hat das thema geifernd aufgegriffen. ich hab’ kurz gegoogelt, jetzt ist mir schlecht.

ich habe mich ja schon mehrfach echauffiert über die unausgewogenheit der medialen berichterstattung rund um das thema milch. der bild-titel ist jetzt mit abstand das dümmste ist, was ich dazu bisher gelesen habe. ich koche vor wut. kann man eigentlich den presserat wegen fahrlässiger verbreitung von falschinformationen einschalten?

verdammt noch einmal, lest die studien, und wenn ihr sie nicht versteht, dann haltet den mund!

hier die zusammenfassung der autorInnen aus dem originalpaper: “A higher consumption of milk in women and men is not accompanied by a lower risk of fracture and instead may be associated with a higher rate of death. Consequently, there may be a link between the lactose and galactose content of milk and risk as suggested in our hypothesis, although causality needs be tested using experimental study designs. Our results may question the validity of  ecommendations to consume high amounts of milk to prevent fragility fractures. The results should, however, be interpreted cautiously given the observational design of our study. The findings merit independent replication before they can be used for dietary recommendations.”

ich darf übersetzungstechnisch ein bissl nachhelfen: “may be” heißt “kann sein”, nicht “ist”. “associated” heißt “verbunden”, und das wiederum kann kein kausalzusammenhang sein “given the observational design of our study”, also “aufgrund des beobachtenden studiendesigns”. “interpret cautiously” heißt “vorsichtig interpretieren”, und “findings merit replication before used for recommendations” heißt “die ergebnisse benötigen wiederholungen, bevor sie für empfehlungen genutzt werden können”.

heißt irgendwas davon “drei gläser milch am tag können tödlich sein”?! eben!

die autorInnen diskutieren sogar, dass ursache und wirkung verkehrt sein könnten: “Theoretically, the findings on fractures might be explained by a reverse causation phenomenon, where people with a higher predisposition for osteoporosis may have deliberately increased their milk intake.”

ich sage nicht, dass studien wie diese vom tisch gewischt werden sollten. wissenschaft ist dauernd im fluss, jedes studienergebnis ist ein weiteres mosaiksteinchen in einem gesamtbild. aber das ist der punkt: das gesamtbild besteht aus vielen, vielen steinen. und ein stein ändert niemals das ganze bild.

und dann gibt es neben den gesundheitssteinen noch die kultursteine (milchwirtschaft ist z.b. untrennbar mit der österreichischen kultur verbunden), die sozialsteine (zahlreiche bäuerInnen leben von der milchwirtschaft), die umweltsteine (kühe können aus für uns unverdaulichem gras das gut verdauliche, hochwertige lebensmittel milch machen), die tierwohlsteine (wie werden denn die milchviecher gehalten?) und viele andere mehr.

leute, bitte schaut doch endlich aufs ganze bild!!!

rinderherz, da will ich mehr!

rinderherz, da will ich mehr!


das ist mit sicherheit der eintrag mit dem schlechtsten bild bisher. dafür ist es endlich wieder einmal überhaupt einer! aufs fotografieren haben wir am samstag leider in der hitze des gefechtes komplett vergessen – unverzeihlicher fehler, aber leider nimmer zu ändern. auf dem bildausschnitt ist zumindest noch ein schüsserl drauf, in dem das rahmherz drin war …

vielleicht gelingt’s mir, unsere begeisterung mit nur worten zu transportieren. hoffentlich. (und auch wenn’s auf den ersten blick nicht so ausschaut, passt dieser beitrag dennoch zum tierfreitag.)

2014 ist ja unser jahr der innereien. leber war schon. dennoch sind wir schwer im verzug, das bruckfleisch schaffen wir heuer sicher nimmer. aber wir sind einen schritt weiter. und was für einen überaus köstlichen, wahnsinn! am samstag war also das rinderherz dran.

1,2 kilo hatte das trumm, es war, wie immer, vom fleischfred, also der boa-farm. (ja, von dem betrieb, wo ich schon schlachten und häuten war. wo rindviecher so gehalten werden, wie es nach meinem ermessen nicht besser sein könnte.) röhren und schläuche fanden wir darin zu meinem großen naturwissenschafterinnen-leidwesen nimmer, die schneidet der fred offenbar vorher heraus (muss ich ihn das nächste mal fragen). eine haut war aber rundherum, die haben wir aus faulheit nicht abgezogen. hat sich im nachhinein auch als nicht nötig erwiesen.

da das rezept (“gespicktes rahmherz”) vom goldenen herrn plachutta spicken vorsah und wir uns, weil ja unsere erste herzerfahrung, streng ans rezept halten wollten, brauchten wir die hilfe unserer 81-jährigen nachbarin, deren wohlsortierte und vielbenutzte küche in einer lade eine spicknadel bereithält. so also zog mein liebster labonca-weißspeck in streifen ins rinderherz.

ebendieses wurde dann beidseitig gesalzen und gepfeffert, und in der geliebten gelben cocotte scharf angebraten, herausgenommen. das rösten ging weiter mit gewürfeltem zwiebel und wurzelgemüse, zum schluss etwas paradeismark. aufgießen mit suppe, herzerl wieder hinein, lorbeerblatt dazu. deckel drauf, ab ins rohr, und zwar drei stunden bei 180 grad. (das goldene originalrezept sieht eindreiviertel stunden vor, arbeitet aber auch mit kalbsherz. das größere, ältere rinderherz brauchte erwartungsgemäß länger.)

jetzt wurde es dann ein bissl trabig, weil der erste gast schon geklingtelt hatte. mein herz also nahm schnell das herzerl wieder heraus und schnitt es in “gefällige stücke” ((c) plachutta). ich rührte in der zwischenzeit ein rahm-mehl-g’machtl in die wurzelsoße (wahnsinns-geschmack, schon vor dem rahm, aber ohne rahm ist’s halt kein rahmherz …), einmal aufkochen, und dann feinst pürieren.

dazu reichten wir, streng nach plachutta, bandnudeln.

und, ich sag’ euch was, ich hab’ schon lang nimmer so eine geschmacksneuerlebnis gehabt!

wie schmeckt herz? ein bissl leberig, aber viel weniger stark wie leber. von der konsistenz sehr, sehr muskulös (nona), aber feinfasrig und nach der langen garzeit unglaublich mürbe. und die soße dazu war überhaupt der wahnsinn.

danke, herr plachutta, für die goldene anleitung! danke, fred und dani, dass ihr so super rindviecher und eure rindviecher so super haltet! und danke an unsere neugierde, die uns wieder einmal eine horizonterweiterung beschert hat, um die’s unedlich schade gewesen wäre, sie sich entgehen zu lassen.

herz ist trumpf!

isch wollte, autriche könnte un petit peu sein wie frongreisch!

isch wollte, autriche könnte un petit peu sein wie frongreisch!


ich bin im zuge der recherchen für mein fibl-projekt schule des essens wieder einmal auf was höchst erfreuliches gestoßen!

“wie man zählen lernt, so lernt man auch essen.”, “lebensmittel und kochkenntnisse schätzen”, “erhalten und fördern des kulinarischen erbes”, “nachhaltige produktionsweise ermuntern”, “biologische landwirtschaft entwickeln”, “echte annäherung ans essen, nicht nur nährstoffbasiert”, “dem kosumenten die lust und die freude am essen zurückgeben”, das und noch vieles mehr steht in einem offiziellen (!) französischen dokument, dem nationalen ernährungsprogramm nämlich. das nicht das gesundheitsministerium herausgegeben hat, sondern jenes für landwirtschaft, ernährung, fischerei, ländliche gebiete und regionale entwicklung.

von “gesund” ist darin kaum die rede, es heißt stattdessen “gut” und “zugang zu einer qualitätsvollen ernährung für alle” und selbst “ausgewogen” kommt nur in kombination mit “plaisir” vor.

da muss ich mir schon wieder was wünschen: so einen zugang zum essen nämlich, und zwar bitte sowohl bottom-up als auch top-down!

[download des programme national pour l’alimentation hier. dem dokument ist auch das beitragsbild entnommen.]

nachhaltige ernährung, was ist das?

nachhaltige ernährung, was ist das?


nachhaltige ernährung” steht auf meiner neuen visitenkarte des fibl, meines teilzeitarbeitgebers und träger des projektes schule des essens, an dem derzeit mein berufliches herz hängt. sie beschäftigt mich ja schon seit längerem, seit gut zwei jahren habe ich mich ihr gänzlich verschrieben – die erfahrungen aus zwei jahren mosambik waren daran maßgeblich beteiligt. und derzeit gibt’s einiges an medienpräsenz (z.b. kurier, salzburger nachrichten, handelsblatt und netdoktor) als resonanz eines presseworkshop, den ich kürzlich für meinen berufsverband veö bestritten habe.

viel ist also in meinem leben davon die rede, deshalb auch an dieser stelle eine definition der nachhaltigen ernährung in fünf schritten:

1. nachhaltige ernährung ist kein romantisches vorhaben von realitätsfremden weltverbesserern, sondern eine wissenschaftliche disziplin. sie wurde im deutschsprachigen raum in den 1980er-jahren aus der taufe gehoben von einem studentischen arbeitskreis rund um professor claus leitzmann an der universität gießen (beide, der professor wie die uni sind in einschlägigen kreisen bestens bekannt). die uni gießen hält derzeit auch die einzige professur dafür im deutschsprachigen raum. auch karl von koerber, thomas männle, jürgen kretschmer und in jüngerer zeit ingrid hoffmann, katja schneider und eva hummel prägten und prägen die ernährungsökologie maßgeblich durch forschung, entwicklung und lehre.

2. im wissenschaftssprech wird die disziplin “ernährungsökologie” genannt, wobei ökologie in diesem zusammenhang nicht (nur) was mit umwelt zu tun hat, sondern die “lehre von den zusammenhängen” bedeutet. ich verwende lieber “nachhaltige ernährung”, weil sich der begriff besser selbst erklärt.

3. lehre von den zusammenhängen. ja, derer gibt es in der nachhaltigen ernährunge wahrlich viele! denn sie konzentriert sich nicht wie die “herkömmliche” ernährungswissenschaft auf die gesundheitlichen aspekte des essens, sondern bezieht die dimensionen ökologie, wirtschaft und gesellschaft gleichwertig ein. und das auf allen ebenen, von der landwirtschaftlichen produktion über die verarbeitung, transport, handel, konsum bis zur entsorgung. darüber hinaus ist sie eine disziplinenübergreifende wissenschaft (agrarwissenschaften, soziologie, wirtschaftswissenschaften, gesundheitswissenschaften etc.).
ein beispiel, das die komplexität illustriert: fisch. fetter meeresfisch gilt wegen seines omega-3-fettsäuregehalts als gesund. ökologisch betrachtet sind viele fischbestände ausgebeutet. wirtschaftlich gesehen kämpfen viele kleine fischer neben der industriellen fischerei um ihre existenz, ähnliches gilt für die verarbeitung, z.b. zu konserven. das hat, stichwort gesellschaft, auswirkungen: matosinhos, einst ein prosperierender, lebendiger vorort der portugiesischen stadt porto (und immer noch heimat der nuri-sardinen-fabrik), wirkt heute heruntergekommen und verlassen, die arbeitslosigkeit ist hoch. (eine detaillierte beschreibung des sardinendilemmas, das sich mir im letzten urlaub auftat, steht hier.)

4. nachhaltigkeit in der ernährung ist messbar, und zwar zum beispiel anhand der safa-kriterien der fao, der ernährungs- und landwirstschaftsorganisation der uno. safa steht für sustainability assessment of food and agriculture systems. da wird anhand einer vielzahl von indikatoren die ökologische, wirtschaftliche und soziale nachhaltigkeit von betrieben erhoben. das ergebnis sind spinnendiagramme wie im bild unten, anhand derer die nachhaltigkeitsanalyse auf einen blick möglich ist. wer das z.b. macht, sind meine SMARTen kollegInnen am fibl!

5. und wie setze ich die nachhaltige ernährung in die praxis um? anhand von sieben grundsätzen (nach karl von koerber), die, einmal verinnerlicht, das einkaufen erleichtern (weil sie die auswahl angenehm einschränken) und den genuss erhöhen (weil bewusster essen besser schmeckt).
a) mehr von der pflanze, weniger vom tier
b) bio-lebensmittel
c) regional und saisonal
d) gering verarbeitet, frisch
e) umweltverträglich verpackt und transportiert
f) fair gehandelt
g) genussvoll
warum nachhaltige ernährung weder kompliziert, teuer noch genussfeindlich ist, sowie noch mehr tipps und aha-erlebnisse gibt’s in der veö-presseaussendung.

literatur: hoffmann i, schneider k, leitzmann c. ernährungsökologie – komplexen herausforderungen integrativ begegnen. oekom, 2011

safa_blog
bildnachweis (auch beitragsbild): fao. safa guidelines, 2013, s. 69

 

fleisch 2.0, die nächste: leberpastete

fleisch 2.0, die nächste: leberpastete


fleisch 2.0, der schwerpunkt unseres privaten kochjahres bedeutet, wir probieren tierteile, die an einem ganzen tier eben auch dran sind, die wir aber eher nicht so alle tag’ essen oder wo wir sogar ein bisserl berührungsängste haben. auf jeden fall noch viel zu wenig zubereitung- und verarbeitungskompetenzen. wie zunge. oder leber.

der aktuellste streich: leberpastete. vom schwein. labonca-schwein, eh klar! abgewandelt nach einem rezept aus “die vorratskammer” von ingrid pernkopf und willi haider, pichler-verlag, seite 285.

ich lieeeeeeeeeeebe leberpastete! schon als kind hab’ ich die streichwursthaut mit der nadel perforiert und dann feine streichwurstfäden rausgedrückt und abgeschleckt. mitunter so lange, bis die haut leer war …

heute habe ich meine zweite leberpastete selbst gemacht. (die erste war in mosambik, davon hab’ ich aber keine fotos. ich weiß nur mehr, dass sie sehr grob und nicht soo köstlich war. die heutige ist viel besser. da sei vor allem konsistenzmäßig der geliebten kitchenaid gedankt!)
unmittelbar nach dem frühstück ging’s los. jetzt (in echtzeit: 22:10 uhr) sind die gläser zum sterilisieren im rohr. dazwischen habe ich unzählige andere dinge gemacht. nein, leberpastete ist wirklich keine aufwändige sache!

je ein halbes kilo bauchfleisch (ruhig mit schwarte, wird beim kochen ganz weich) und leber in würferl schneiden. in zirka eineinhalb liter suppe (z.b. aus der selbstgemachten würze) zuerst das bauchfleisch zirka eine stunde, danach die leber zirka 15 minuten kochen. mit einem schaumlöffel herausfangen, und die suppe auf zirka 200 Milliliter reduzieren lassen. suppe abkühlen lassen und dann in den kühlschrank stellen, damit sich das fett absetzt (das braucht man nachher zum abschließen der pastete in den gläsern).

ein großes happerl zwiebel und zwei zehen knoblauch in kleine würferl schneiden und in öl hellbraun rösten. überkühlen lassen.

gewürzmischung bereiten aus gut einem teelöffel salz, reichlich pfeffer, einem teelöffel majoran, einem teelöffel thymian, je drei frisch gemörserten pimentkörnern und gewürznelken sowie zwei esslöffeln honig. (bei mir ist jetzt auch ein bissl vanille dabei, weil ich noch vanillearomatisierten honig vom nusshonig von weihnachten übrig hatte…)

gewürzmischung und zwiebel in den fleischwolf füllen, die gekochten fleisch- und leberstücke nachjagen. (ich hab’ die feine matritze genommen, weil ich leberpastete so fein wie möglich am liebsten habe.) ein zweites mal wolfen.

von der suppenreduktion das fett abnehmen und in ein schüsserl geben. die suppe selbst (sollten jetzt zirka 150 milliliter sein und ist sehr gallertig, wie bratlfettn, ich hab’ sie noch einmal kurz erwärmt zum verflüssigen) zur pastetenmasse gießen, gut vermischen (funktioniert auch am besten in der küchenmaschine).

pastete in saubere schraubgläser füllen, durch vorsichtiges aufschlagen auf eine zentimeterdicke geschirrtuchschicht die luft herausklopfen. zirka zwei zentimeter vom oberen rand freilassen. jetzt mit dem fett abschließen, deckel drauf.

gläser auf ein tiefes backblech stellen, zirka zwei zentimeter wasser zugießen, ins kalte rohr schieben, auf 170 grad einheizen und nach erreichen der temperatur zirka eine stunde sterilisieren. (mit dieser methode habe ich noch keine erfahrungen gemacht, sie stammt von einer alten mostviertler bäuerin, deshalb habe ich großes vertrauen, dass die pastete nicht verderben wird. abgesehen davon wird sie eh nicht lange lagern …)

so, jetzt hab’ ich das rohr gerade abgedreht. wieder in echtzeit (22:25 uhr). ich lass’ sie jetzt einfach über nacht im rohr auskühlen und esse dann morgen zum frühstück ein leberpastetenbrot. yeah! (dass sie köstlich schmeckt, weiß ich natürlich schon, weil ich vorm einfüllen reichlich genascht habe …)

sardinendilemma, deppertes!

sardinendilemma, deppertes!


ich stecke in einem nuri-dilemma, und das ärgert mich gerade wahnsinnig.

vorigen sommer gewährte uns senhor antónio pinhal einblick in seine fabrik, in der die nuri-sardinen hergestellt werden. ich hoffe, die reportage irgendwo möglichst breit-öffentlich unterzubringen, deshalb hier nur eine kürzestzusammenfassung: nuri-sardinen sind ein gourmetprodukt, fast reine handarbeit, die pinhais-konservenfabrik ist daher eigentlich keine fabrik, sondern eine manufaktur, und die sardinen stammen von lokalen fischern, die auf ihren 20-meter-traineiras aufs meer hinausfahren, um sie mit ringwadennetzen zu fangen. seit drei jahren msc-zerfiziert. sympathischer, kleiner betrieb, gutes produkt, wenn jetzt noch die zutaten bio wären, perfekt, aber jedenfalls sind die fische aus nachhaltigem fang lautete mein resümee. bis gestern.

da habe ich den greenpeace-fischratgeber konsultiert. demzufolge sind sardinen bis auf wenige ausnahmefanggebiete nicht empfehlenswert, weil überfischt. und die atlantikküste portugals gehört leider nicht zu den empfehlenswerten ausnahmen. ich rufe bei greenpeace österreich an, weil ich wissen will, ob die nuri-sardinen nicht doch nachhaltig sein können. immerhin sind sie ja msc-zertifiziert. leider kriege ich aber nicht zu hören, was ich gerne hören würde. was ich kriege, ist eine fundierte, differenzierte auskunft, wissenschaftlich basiert und höchst vertrauenswürdig. dennoch freue ich mich, darüber nämlich, dass es solche ngos gibt!
greenpeace erstellt seinen fischratgeber anhand eines dreistufigen assessment, erklärt mir die dame am telefon. wissenschaftliche daten zur bestandsgröße von fischpopulationen fließen darin ein, auch fangmethoden. selbstverständlich könnten sie nicht jede einzelne fischerei überprüfen, aber wie’s aussieht, ist das bei “meinen” sardinen eh unerheblich, weil selbst kleine fischer einen überfischten bestand nicht nachhaltig befischen können. es gibt sozusagen keine richtige fischerei im falschen fanggebiet.

wie können die nuri-sardinen aber dann msc-zertifiziert sein, frage ich weiter, wo sie doch offenbar überfischt sind. die frau von greenpeace erklärt es mir so: bio-zertifizierte produkte sind 100 prozent bio, msc-zertifizierte fische aber nur 60 prozent nachhaltig. oder anders: die standards, die der msc anlegt, seien weniger streng als jene von greenpeace. so könne auch eine fischerei ein msc-zertifikat kriegen, die sich verpflichtet, im lauf der folgenden zehn jahre auf nachhaltige fischerei umzustellen. selbst schleppnetz-fischerei mit msc-siegel gebe es.

ich ärgere mich. erstens, dass ich so auf der seife stehe (und man mich auf die seife steigen macht), obwohl ich wohl schon zu den bestinformierten in ernährungsfragen gehöre. ich will nachhaltigen fisch, und ich will ihn verhältnismäßig einfach erkennen können! noch viel mehr ärgere ich mich allerdings darüber, dass ich meine geliebten nuri möglicherweise aufgeben muss.

aber muss ich das wirklich? es ist wieder einmal dieselbe allgemeingültige leier: essen mit gutem gewissen ist keine beschilderte straße, sondern ein pfad, der laufend neu eingetrampelt werden muss – verirrungen inklusive. und immer gilt es, den vielen dimensionen gerecht zu werden. welche prioritäten setze ich? ist mir der ökologische aspekt der wichtigste? dann muss ich meinen sardinen adeus sagen. der gesundheitliche ist mir ja schon lange nicht mehr der ausschlaggebende. obwohl ich sardinen sehr wohl auch als omega-3-fettsäure-quelle schätze, die dem leinöl qualitativ überlegen ist und gegenüber anderen fischen wie lachs oder makrele den vorteil hat, dass sie in der nahrungskette weiter unten steht und daher nicht in jedem kilo sardine einige kilos anderer fische möglicherweise ebenfalls gefährdeten bestandes stecken. aspekt geschmack? ich liebe sie! oder geht’s mir ums ökonomische? senhor pinhal beschäftigt 120 leute, seine fabrik ist eine von zwei verbliebenen in der einst prosperierenden fischerstadt matosinhos. er kauft bei kleinen, lokalen fischern. auch alle weiteren zutaten bezieht er lokal. und auch sein betrieb ist klein. und was ist mit dem kulturellen aspekt? portugal und sardinen, das ist wie österreich und wiener schnitzel. das geht nicht ohne einander.

zum schluss einer recherche stehen wieder einmal mehr fragen als antworten. heute ärgert mich das. sardinendilemma, deppertes!

ich wollt’, ich wär’ ein hahn!

ich wollt’, ich wär’ ein hahn!


Zweinutzungsrassen. So nennt man bei den Hühnern jene Rassen, die sowohl eine passable Legeleistung als auch einen ordentlichen Fleischansatz haben. Sie waren die Vergangenheit und könnten die Zukunft sein. Hoffentlich.

[der text ist kürzlich in der ernährung heute 3/2013, einem fachmagazin des forum. ernährung heute – verein zur förderung von ernährungskommunikation, erschienen.]

(Begriffsdefinition: In diesem Beitrag stehen die Begriffe Henne für die weiblichen, Hahn für die männlichen und Huhn für Tiere beiderlei Geschlechts von Gallus domesticus, dem Haushuhn.)

Erfolgsgeschichte Freilandhaltung
Eier sind Lebensmittel, bei denen die Konsumenten besonders sensibel reagieren. Schon sehr früh sensibel reagiert haben. Vor 25 Jahren gab es die ersten Anläufe, Freilandeier in großem Maßstab zu produzieren. „30.000 könnten österreichweit als Freilandhendl gehalten werden, prognostizierte man damals“, berichtet Helmut Dungler, Gründer und Präsident der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Sie bräuchten zu viel Platz, seien zu teuer, waren die Hauptargumente dagegen. „Heute leben in Österreich eine Million Freilandhendln, das ist ein Viertel des gesamten Bestandes.“
Der Erfolg der Freilandeier ist eine Vorzeigegeschichte für mündiges Konsument-Sein und das Lobbying einschlägiger Organisationen. Als die ersten Supermarktketten in den 1980er-Jahren begannen, Käfigeier auszulisten, befürchteten sie Umsatzeinbußen. Zu Unrecht. Der Imagegewinn überwog deutlich, und als 2008 in Österreich das Verbot gesetzlich verankert wurde, waren bereits alle österreichischen Supermärkte freiwillig käfigeifrei. Heute gehören Eier zu den am häufigsten nachgefragten Bio-Produkten.

Routinemäßiges Kükentöten
Doch mit der Freilandhaltung ist ein Problem noch nicht gelöst, auch nicht im Bio-Bereich: Für jede Legehenne hat ein ein Hahn sein Leben gelassen. Da ähnlich wie beim menschlichen Nachwuchs das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist, schlüpfen aus befruchteten Eiern jeweils zur Hälfte weibliche und männliche Küken. Das ist bei Fleischhühnern kein Problem, weil männliche wie weibliche gemästet werden. Da sie lange vor der Geschlechtsreife geschlachtet werden, bilden sie keinen geschlechtsspezifischen Geschmack aus. Anders bei den Hühnern, deren Bestimmung Eierlegen ist: Naturgemäß können das nur die Weibchen. Für die männlichen Legehuhnküken gibt es keine Verwendung, weshalb sie kurz nach dem Schlüpfen getötet werden. Dass das routinemäßig bei Freiland- und auch bei Bio-Hühnern geschieht, bereitet zunehmend Unbehagen. Zwei große österreichische Anbieter haben darauf reagiert: Ja! Natürlich und Toni Hubmann.

Erstes Umdenken
Warum man die männlichen Legehühner nicht einfach am Leben lässt und mästet, beantwortet Toni Hubmann in seiner saloppen Art zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist: „Einen Hahn von einer Legerasse kannst nicht essen!“ Legerassen sind auf maximale Legeleistung hin gezüchtet, Fleischrassen auf maximalen Fleischansatz. Weltweit sind einige wenige Hybridrassen im Einsatz, die mit höchster Effizienz ihre jeweilige Bestimmung erfüllen. Die Bedürfnisse der Tiere stehen dabei nicht im Vordergrund.
Früher war, nein, nicht alles besser, aber in Sachen Hühner einiges anders: Da tummelten sich auf dem Bauernhof Hennen und Hähne derselben Rasse. Die Hennen legten Eier, und wenn sie ihre Schuldigkeit getan hatten, wanderten sie in den Suppentopf. Die Hähne durften sich entweder um die Hennen kümmern (wenige) oder wurden gemästet und geschlachtet (die meisten). Dieses naheliegende Prinzip der so genannten Zweinutzungsrasse wurde von Ja! Natürlich und Toni Hubmann 2012 aufgegriffen.

Zweinutzungsrassen
Beide starteten jeweils Pilotprojekte mit einigen tausend Tieren. Dabei kommen nicht alte Rassen zum Einsatz, sondern neue Züchtungen, die die Zweinutzungsvorzüge mit erhöhter Leistung kombinieren. Beide Projekte dürften dieselben oder zumindest sehr ähnliche Rassen verwenden, bei beiden fällt jedenfalls der Name des bayrischen Züchters Ludwig Hölzl. Die Tiere vermehren sich nicht am Hof, sondern werden als Küken zugekauft.
Die „neue“ Zweinutzungsrasse ist ein bunter Haufen: Hauptsächlich weiße, aber auch schwarze, braune und gemusterte Hennen und Hähne staksen bei Toni Hubmann in Glein in der Steiermark im Freigehege herum. Er erklärt, dass sie eine Kreuzung aus vier Linien seien, darunter eine Legerasse, das in Frankreich kulinarisch sehr geschätzte schneeweiße Bressehuhn, aber auch ein „indischer Kämpfer“. Die Hennen sind klein und gedrungen, die Hähne hingegen hochgewachsen. Das merkt man auch beim Verkosten: Die Haxerl sind deutlich länger und massiver als jene, die man herkömmlich auf dem Teller liegen hat. Die Legeleistung der Hennen ist laut Hubmann mit 250 Stück pro Jahr etwas geringer als die herkömmlicher Legerassen (300 – 315), liegt aber deutlich über jener vor rund 50 Jahren (180). Interessanterweise entspricht sie fast exakt dem österreichischen Pro-Kopf-Jahreskonsum (232). Die Eier sind auch etwas kleiner, was in Kombination mit der geringeren Legeleistung dem Wohlbefinden der Hennen sehr zuträglich ist. Beide Anbieter sind bio-zertifiziert, die Hähne und Hennen haben verordnungskonform mehr Platz als in der konventionellen Haltung, Zugang zu Freiland und erhalten ausschließlich Bio-Futter.

Der kulinarische Aspekt
Die Brüder der Legehennen werden gemästet. Da es sich bei der Zweinutzungszüchtung um eine langsam wachsende Rasse handelt, rund drei Mal länger als in der konventionellen Geflügelmast. Bei Toni Hubmann sogar durchschnittlich 100 Tage. Das hat auch kulinarische Gründe. Langsam und länger wachsende Hähne schmecken einfach besser, ist er überzeugt. Früher habe man sie hierzulande geschätzt, in Frankreich mache man das auch heute noch. Mit der modernen Hochleistungsgeflügelmast habe es sich aber eingebürgert, nur fünf Wochen alte Hühner zu essen – und damit auch auf viel Geschmack zu verzichten. Anders gesagt: „Der Franzos’ isst die, weil sie gut sind. Der ist kein Tierschützer!“ Geschlachtet werden sie auf herkömmliche Art: auf einem Schlachthof, maschinell, kopfüber hängend, durch rotierende Messer nach vorheriger Betäubung. Hubmann vermarktet die Masttiere als „Junghähne“, sie müssen mindestens 90 Tage alt sein, sind dann aber noch nicht geschlechtsreif. Das hat den Vorteil, dass sie in diesem Alter noch friedlich nebeneinander leben, ohne sich zu bekämpfen. Die jungen Hähne bringen ein stattliches Schlachtgewicht von 1,8 – 3 kg auf die Waage. Ihr Fleisch ist dunkler, dichter und aromatischer als herkömmliches Hühnerfleisch, ähnlich wie Feldhase im Vergleich zu Kaninchen. Überhaupt erinnert es ein wenig an Wild, vor allem das Fleisch an den Knochen. Da die meisten Konsumenten keine Erfahrung mit der Zubereitung von Junghähnen haben (siehe auch Kochtipp am Ende), denkt Toni Hubmann bereits daran, künftig auch Kochkurse anzubieten.

Hürden: Preis, Verfügbarkeit, Sensibilisierung
Die Zweinutzungsrassen-Eier sind etwas teurer als konventionelle, aber das war wie erwähnt schon einmal kein Problem. Viele Konsumenten entscheiden sich längst bewusst für höherpreisige Freilandeier. Junghähne hingegen sind empfindlich teurer als konventionelle Masthühner und immer noch teurer als biologische, da sie ja wesentlich länger gemästet werden. € 20 pro kg kosten die von Toni Hubmann, erhältlich sind sie einstweilen ausschließlich im Ganzen. Und da sie wie erwähnt 1,8 – 3 kg wiegen, kommt man auf € 36 – 60 für ein Tier. Damit sich die Konsumenten dennoch für Zweinutzungsrassen-Eier und -Masthähne entscheiden, gilt es, zwei Voraussetzungen zu schaffen: Erstens müssen sie um die Problematik der getöteten männlichen Küken wissen, vor allem um den Zusammenhang zwischen Eikonsum und Fleischkonsum. Grundsätzlich ist es eine einfache Milchmädchenrechnung: Eine Henne ist zirka ein Jahr im Einsatz und legt ungefähr so viele Eier, wie wir pro Kopf konsumieren. Damit müssten Herr und Frau Durchschnittsösterreicher einen Junghahn pro Jahr verzehren, damit das Henne-Hahn-Verhältnis ausgewogen sein kann. Zweitens müssen die Produkte verfügbar sein. Es gibt sie längst noch nicht flächendeckend (siehe auch Tipp unten), und Ja! Natürlich schreibt auf der Website, dass die „limitierten Mengen schnell vergriffen“ sind. Für die Junghähne von Toni Hubmann gibt es derzeit nur drei bis vier Schlachttermine pro Jahr. Um sie dennoch laufend anbieten zu können, sind sie hauptsächlich tiefgekühlt erhältlich.

Fazit
Pure Bauernhofidylle à la anno dazumal herrscht auch bei den Zweinutzungsrassen-Hühner-Projekten nicht. Manch’ Kritiker wirft sogar ein, dass es für die Hähne wenig Unterschied mache, ob sie als Küken oder als Junghahn getötet werden. Aber Bauernhofidylle ist Romantik, die heutigen Anforderungen nicht gerecht wird, und moderne Nutztierhaltung ist nicht per se schlecht. Die vorgestellten Projekte machen es sehr gut, sie haben einen entscheidenden Vorteil, der sie auch Freiland- und Bio-Haltung überlegen macht: Sie degradieren Hühner und Eier nicht zu Produkten, die sich in beliebiger Menge und Qualität herstellen lassen, sondern rücken das Tier noch weiter in den Vordergrund. Nicht umsonst arbeiten beide Projekte mit Vier Pfoten zusammen. Zweinutzungsrassen-Hühner zu halten, ist ethisch besser, „ganzheitlicher“, wenn man so will. Das ist gut, und deshalb ist es sehr erfreulich, dass es die Pionier-Projekte gibt. Ihr Erfolg, die Ausweitung des Konzeptes und damit auch der Verfügbarkeit der Produkte liegt nun entscheidend in unseren Händen als Konsumenten.

Tipps:
Projekte und Erhältlichkeit: Ja! Natürlich nennt sein Projekt „Haushuhn & Gockelhahn“ und vermarktet die Zweinutzungsrasseneier als „Bio-Eier, mit Liebe gemacht“ in allen Merkur- und in 60 Billa-Filialen, die Gockel gibt es, abhängig von den Schlachtterminen, als Frischware in allen Merkur-Filialen. Toni Hubmanns Projekt heißt „Henne & Hahn“, Eier und Junghähne gibt es in gut 80 Billa-Filialen, bei Meinl am Graben und ab Hof.

Kochtipp von Toni Hubmann: Bereitet man seinen ersten Junghahn/Gockel zu, brät man ihn am besten im Ganzen und würzt ihn nur mit Salz, um sich seinem Eigengeschmack am besten zu nähern. Bei weiteren Gelegenheiten ist man mit Rezepten aus alten Kochbüchern und/oder französischen Zubereitungsarten bestens bedient, zum Beispiel dem Klassiker Coq au vin (Coq heißt übrigens Hahn, nicht Huhn).

der schlachthof: das tor zum himmel

der schlachthof: das tor zum himmel


Best Of Austria. So unbescheiden vermarkten Dani Wintereder und Fred Zehetner das Rindfleisch ihrer BOA-Farm. Was man zu sehen bekommt, wenn man sie besucht, könnte tatsächlich der Rinder-Himmel auf Erden sein.

[der text ist in der ernährung heute 2/2013, einem fachmagazin des forum. ernährung heute – verein zur förderung von ernährungskommunikation, erschienen.
blog-exklusiv sind die fotos. dazu achtung! sie sind teilweise blutig.
und da die boa-farm für mich ein absoluter rinder-vorzeigebetrieb ist, soll der text auch in die tierfreitag-sammelstelle.
an dieser stelle vielen herzlichen dank an dani und fred für den herzlichen empfang, die tollen einblicke und einen aufregenden tag auf eurer farm!]

Donnerstag, 23. Mai 2013, 8:15 Uhr. Wir biegen in eine Schotterstraße ein, sind auf dem Weg nach Mitterhof, Gemeinde Wildendürnbach, nördlichstes Weinviertel. Fuchs und Hase sagen einander hier gute Nacht. Und zwar nicht nur sprichwörtlich: Hasen hoppeln links und rechts der Straße, hier tauchen Rehe auf, dort ein Fasan. Und nach gut einem Kilometer endlich auch die Rinder. Deretwegen sind wir hier. Auf der BOA-Farm von Dani Wintereder und Fred Zehetner.

 BOA: Best Of Austria
„Best Of Austria Beef – mehr als nur Bio-Rindfleisch“, steht auf der Website. Da hat sich jemand die Latte sehr hoch gelegt! Wir wollen wissen, wie hoch. Fred Zehetner begrüßt uns mit einem kräftigen Händedruck. „Ihr wollt uns also heute beim Schlachten helfen? Na, dann suchen wir einmal Gummistiefel für euch!“ Wir trinken dann doch zuerst einmal einen Kaffee und bereiten uns geistig vor. Plaudernd sitzen wir am großen Esstisch im ehemaligen Stadl, durch die großen Fenster beobachten wir die Rinder auf der Weide. „So haben wir uns das immer vorgestellt“ fängt der Hausherr an zu erzählen. Es dauert keine fünf Minuten, um die Leidenschaft zu erkennen, mit der Fred Zehetner und Dani Wintereder ihren Beruf leben.

Kompromisslos und ein bisschen verrückt
Vor über 20 Jahren legte der Oberösterreicher den Grundstein für den Betrieb. Der gelernte Fleischer übernahm als 21-Jähriger die Fleischerei mit 25 Angestellten von seinem Vater. Nach einem Jahr übergab er sie seiner Schwester und ging in eine Landwirtschaftsschule. „Ich wollte immer Bauer werden!“ Nach einem Jahr stieg er aber auch dort aus, weil er nicht lernte, was er wissen wollte. Es folgte ein Abstecher auf die Universität, Sportwissenschaften und Pädagogik, daneben arbeitete er in einer Fleischerei für Großkunden. Und startete endlich das Bauer-Sein: mit drei Galloway-Kühen und einem Stier, die er zunächst bei einem befreundeten Bauern eingestellt hatte, wo sie allerdings nicht lange bleiben konnten. Und dann war er das erste Mal zur rechten Zeit am rechten Ort. Eines ergab das Andere, und binnen zwei Wochen hatte er 14 ha Grund in der Nähe von Salzburg gepachtet, das Studium aufgegeben und war endlich „richtiger“ Bauer. 1993 folgte die Bio-Zertifizierung. Damals war der Betrieb ein reiner Zuchtbetrieb.
Vor 15 Jahren stieß Dani Wintereder dazu. Sie ist ausgebildete Landwirtin, hat die HBLA für Land- und Ernährungswirtschaft Elmberg absolviert und sich in zahlreichen Praktika in Schottland, den USA und vor allem Kanada „bei den besten Lehrern“ umfangreiches Wissen über Galloway- und Aberdeen Angus-Rinder angeeignet.
Ins Weinviertel verschlug es die beiden 2003. Das war einerseits gewollt, denn dort, wo sie jetzt sind, ist es trocken und es gibt jede Menge Stroh – optimale Bedingungen für ihre Rinderzucht. Andererseits waren sie einmal mehr zur rechten Zeit am rechten Ort: Ein Adeliger verpachtete ihnen 300 ha Fläche, weil, so erzählt Fred Zehetner mit schelmischem Grinsen, er meinte, ihre Idee wäre so verrückt, dass sie funktionieren könnte. Und sie funktionierte: 2006 kauften sie das Land, heute stehen rund 650 Rinder auf den Weiden an der Grenze zur Tschechien. 2008 wurde das „Kuhhotel“ eröffnet, die Stallungen, in denen die Tiere den Winter verbringen. Im Dezember 2012 ging schließlich der farmeigene Schlachthof in Betrieb.

Galloway und Aberdeen Angus
Mit Galloway-Rindern fing alles an, seit 2003 wächst die Aberdeen Angus-Herde – natürlich aus guten Gründen: Beide Rassen kommen aus dem angloamerikanischen Raum, sind Fleischrassen mit hervorragender Qualität und von Natur aus hornlos, weshalb das umstrittene Thema Enthornung gar nicht erst diskutiert werden muss. Galloways sind extrem robust, hervorragende Futterverwerter und äußerst friedlich, das prädestiniert sie für die Weide- und Mutterkuhhaltung. Sie haben ein doppeltes Haarkleid, das sich optisch als schafähnlich äußert, allerdings rötlich braun. Aberdeen Angus hingegen sind schwarz und glänzend. Beim Züchten wird scharf selektiert, besonderes Augenmerk legen die Wintereder-Zehetners auf „Leichtkalbigkeit“: Das ist der Grund, weshalb in 99 % der Fälle die Kühe ihre Kälber ohne menschliche Hilfe zur Welt bringen. Nachwuchs entsteht teilweise auf natürlichem Weg, teilweise durch künstliche Befruchtung. Letzteres ist nötig, um regelmäßig neues Genmaterial in die Herde einzubringen. Männliche Kälber mit Bestimmung Fleisch werden im Alter von einem Monat unter Betäubung kastriert, weshalb das BOA-Beef ausschließlich von Ochsen und Kalbinnen stammt.

Die Philosophie: „Das Glück der Tiere isst man mit.“
Das Angebot der BOA-Farm umfasst heute Zuchtrinder sowie Frischfleisch vom Rind. Darüber hinaus gibt es Hundefutter aus den Resten der Fleischverarbeitung und seit kurzem Schweinefleisch – übrigens dieselben Rassen wie am Labonca-Biohof (siehe eh 4/2012), und das ist kein Zufall, sondern die Folge eines Erfahrungsaustauschs zwischen den beiden Landwirten.
Hinsichtlich der Qualität herrscht Kompromisslosigkeit: Sowohl die Zuchttiere, als auch das Fleisch müssen den Qualitätsstandards der Wintereder-Zehetners gerecht werden. Und die gehen weit über gesetzliche Vorgaben, wie die Bio-Verordnung, hinaus. Dass der Betrieb biologisch wirtschaften muss, war für Fred Zehetner von Anfang an keine Überlegung, sondern logische Konsequenz: Ackerbau braucht Dung, also Viehhaltung, und die Viecher brauchen Futter – Kreislaufwirtschaft, wie sie im Buche steht, wird auf der BOA-Farm praktiziert, zum Teil in Kooperation mit dem Hofnachbarn. Was die Philosophie der BOA-Farm aber am stärksten auszeichnet, ist der Respekt gegenüber den Tieren. Ihr Wohlbefinden steht im Zentrum. Deshalb leben und fressen die Rinder drei Jahreszeiten ausschließlich auf der Weide, mit Flächen von 0,5 ha pro Tier. Den Winter verbringen sie im „Kuhhotel“ genannten Stall, einem teilweise überdachten Areal mit reichlich Stroh-Einstreu, auf dem jedem Tier fast 40 m² zur Verfügung stehen. In dieser Zeit fressen sie Heu, Grassilagen und Stroh. Getreide, Mais oder Soja stehen nie auf dem Speiseplan. Deshalb leben die Kälber in Mutterkuhhaltung und trinken mindestens acht Monate lang Muttermilch. Deshalb wird stressfrei geschlachtet. Und deshalb erhielt die BOA-Farm 2012 den Bundestierschutzpreis von Gesundheitsminister Stöger.
Der Respekt gegenüber den Tieren geht so weit, dass die Wintereder-Zehetners zunehmend auf die Vermarktung von Fleisch statt den Verkauf von Zuchttieren setzen. Letztere landen nämlich nicht immer in Bedingungen, wie die BOA-Farmer sie gerne hätten. Auf ihrem eigenen Betrieb könnten sie ihnen dagegen optimale Gegebenheiten bieten. Deshalb sei es ihnen am liebsten, die Tiere blieben von der Geburt bis zum Tod bei ihnen. Einen eigenen Schlachthof zu errichten, war da wieder nur eine logische Konsequenz.
Der Erfolg scheint ihnen übrigens Recht zu geben. Inserate hätten sie nie geschaltet – „das Produkt muss die Werbung sein, nicht das Hochglanzprospekt!“ – doch mittlerweile sind sie der größte Zuchtbetrieb Österreichs, verkaufen ihre Zuchttiere europaweit, Rindersamen sogar in alle Welt.

Stressfreies Schlachten und hohe Fleischqualität
Wir haben mittlerweile die Gummistiefel an und befinden uns im Schlachthof. Wobei „Schlachthof“ ein viel zu großes Bild suggeriert. Es ist eher ein Schlachthaus in der Dimension eines kleinen Bungalows, in dem Fred Zehetner und sein Fleischerei-Mitarbeiter üblicherweise ein bis drei, maximal jedoch fünf Tiere pro Woche schlachten. „BOAs Gate Heaven“ nennen sie das Gebäude ihrer Diktion treu bleibend. Den Tötungsprozess haben wir miterlebt, und wir können jetzt nachvollziehen, warum sie das Schlachten als „stressfrei“ bezeichnen: Das Tier wirkt bis zum Betäubungsschuss vollkommen entspannt. Den Todesstoß, also das Durchschneiden der Halsschlagader, spürt es nicht. Auch nicht das Ausbluten. Der Fleischermeister gibt dem Tier Zeit. „Wir lassen es aushauchen.“
Dafür geht danach alles schnell: Zuerst bindet er die Speiseröhre ab, damit der Reflux aus dem Magen nicht das Fleisch kontaminiert. Dann beginnt er, dem Tier das Fell abzuziehen. Das wird später abgeholt und zu Leder verarbeitet. Wir können gar nicht so schnell schauen, haben wir Messer in der Hand und die Anweisung, mit dem Häuten weiterzumachen, dabei aber auf keinen Fall die Fettschicht zu verletzen, die während des Reifens das Fleisch schützt.
Apropos Reifen. Auf der BOA-Farm ist man nicht nur kompromisslos in Sachen Respekt gegenüber dem Tier, sondern auch in Sachen Fleischqualität. Aberdeen Angus und und Galloways sind bekannt dafür, zartes, gut marmoriertes, schmackhaftes Fleisch zu haben. Die Haltung und Schlachtung tragen das Ihre zur herausragenden Qualität bei: Die Tiere werden im Alter von zirka zwei Jahren geschlachtet, nicht wir herkömmlich mit 17–19 Monaten, da die Geschmacksbildung erst ab 18 Monaten erfolge, erläutert Fred Zehetner. Mais und Getreide verfüttere er auch deshalb nicht, weil das geschmackloses Fleisch ergebe, im Gegensatz zu dem aromatischen, das Gras und Kräuter fressende Weiderinder ausbilden. Das entspannte Schlachten sei überhaupt der Knackpunkt: „Wenn das Tier beim Schlachten Stress hat, machst du dir die ganze zu Lebzeiten aufgebaute Qualität zunichte.“ Dass die BOA-Farm ausschließlich gereiftes, gut abgehangenes Fleisch verlässt, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Vielleicht noch das: Der Fleischermeister lagert die Rinderhälften im so genannten Tender-Stretch-Verfahren, eine spezielle Art der Aufhängung der Schlachtkörper, die das Fleisch zarter macht, aber mehr Platz benötigt, weshalb es in industriellen Schlachthöfen nicht angewendet wird.
Zu Fred Zehetners und Dani Wintereders Verständnis von Qualität gehört auch die Vermarktung. In fünf Radatz-Filialen in Wien gibt’s BOA-Beef zu kaufen, einige Restaurants servieren es, sonst bekommt man es ausschließlich ab Hof zu bestimmten Terminen (Infos auf www.galloway.at, Menüpunkt „Genuss“). Auch das hat natürlich einen Grund: Nähe zum Kunden und Zeit. Wer auf die BOA-Farm einkaufen kommt, sollte letzteres mitbringen. Für ersteres sorgen der Herr und die Frau des Hauses: Verkauft wird hier nicht über eine Theke, sondern an einem Tisch, einem großen Holztisch, der normalerweise als Esstisch dient. Dazu gibt es Tipps und Geschichten. Definitiv Slow Food!

Wirtschaftlich rentabel
Dass sie zunehmend Fleisch statt Zuchttiere verkaufen, hat auch ökonomische Gründe. Während es in den USA gang und gäbe sei, dass ein guter Deckstier eine stattliche Summe kostet, sehe man das hierzulande ganz anders, erläutert Dani Wintereder. Da die Schlachtung und Zerlegung der Rinder am Betrieb stattfindet, die Wertschöpfung also im Haus bleibt, lässt sich mit dem Fleischverkauf ausreichend verdienen. Selbstverständlich bei entsprechenden Preisen: € 60 pro kg kostet beispielsweise das Filet, € 28 der Tafelspitz, € 18 das Gulaschfleisch und € 9 das Faschierte, alle Preise ab Hof. Auch hier zeigt sich Fred Zehetner kompromisslos. Einkommen will er über beste Qualität erzielen, nicht über die Menge. „Wenn du mit dem Preis hinaufgehst, regelt sich der Markt von selber.“
Der Betrieb scheint gut zu laufen. Möglicherweise auch deshalb, weil die Wintereder-Zehetners sich dem Wachstumsdiktat bewusst verweigern. Das demonstrieren schon die baulichen Gegebenheiten. „Wir haben das Schlachthaus hier hereingezwickt und nicht auf die freie Wiese gestellt, weil wir auf gar keinen Fall erweitern wollen“, sagt der Hausherr. Es ist außergewöhnlich, auf diesem Hof beschwert man sich nicht einmal übers Steuerzahlen: „Der größte Feind eines kleinen Betriebes ist die Steuerlogik. Wenn’s gut läuft, soll man investieren, damit man weniger Steuern zahlt. Es ist doch kein Verbrechen, dem Finanzamt Geld zu geben!“
Dani Wintereder fasst das Erfolgsrezept so zusammen: Fachliche Qualifikation in einer tollen Kombination (sie: Zuchtexpertin, er: Fleischermeister), die gemeinsame Leidenschaft für eine Sache, Mut zum Risiko, den Vorteil des Quereinstiegs, also keinen Hof übernehmen zu müssen, keinen familiären Traditionen verhaftet zu sein, keine alten Denkmuster mitzuschleppen. Und eine gehörige Portion Glück. Und dass Manfred Buchinger vom Gasthaus zur Alten Schule in Riedenthal einer der ersten Überzeugten war, hat sicher auch nicht geschadet.

Fazit
Die BOA-Farm ist ein schönes Beispiel dafür, wie Rindfleischproduktion optimal ablaufen kann: Extensive Weidehaltung, bei der das Rind nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen steht, sondern idealtypisch als Veredler von für den Menschen Unverdaulichem fungiert. Tiergerechte Lebensbedingungen. Stressärmstes Schlachten. Hervorragende Fleischqualität. Und eine Betreiberfamilie, die herausragende Leidenschaft und eine sympathische Portion Kompromisslosigkeit einbringt. Mehr solcher Betriebe, bitte!

Literatur
Statistik Austria: Versorgungsbilanzen 2011. www.statistik.at/web_de/statistiken/land_und_forstwirtschaft/preise_bilanzen/versorgungsbilanzen/index.html#index2 (Zugriff am 27.5.2013)
Statistik Austria: Agrarstrukturerhebung 2010. Zugriff auf die Daten via statcube.at (27.5.2013)
BMG: Bundestierschutzpreis 2012. http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Tiergesundheit/Tierschutz/Bundestierschutzpreis/ (Zugriff am 27.5.2013)

 

heute: freude! und warum auf gutem boden das beste wächst


der kinderworkshop wirkt nach. zum einen freue ich mich sehr, sehr über die positive resonanz, allen voran jene von doris knecht. (nein, ich kenne sie nicht persönlich, und diese erwähnung war kein freundschaftsdienst, sondern offenbar echte begeisterung.)
zum zweiten freue ich mich, weil die arbeit mit den kindern nachhaltig frohmachend war. gut, ich gebe zu, das soeben abgeschlossene laufen in der sonne, macht die reflexion auch heller. trotzdem. wenn man sich dieser tage umschaut – regional, national und weltweit –, dann hat man eh nicht viel zum freuen. weil das aber für (mein) seelenheil so wichtig ist, konzentriere ich mich also jetzt ganz auf das gute.

das erste gute ist kärnten. und dass ich das einmal schreiben würde, hätte ich nie geglaubt. deshalb gleich doppelte freude.

das zweite gute sind die nachwehen vom workshop vorige woche, wie ja oben schon erwähnt. aber da geht’s noch ein bissl weiter. beim laufen kommen einem ja immer so gedanken. mit kindern zu arbeiten, war bisher immer freudig. ich bin ja generell eine menschenfreundin, und kinder sind mir die allerliebsten menschen. dennoch: der workshop hätte sich auch so entwickeln können, dass als resümee geblieben wäre: die kinder können nix (mehr) schmecken, sie bevorzugen aromatisierten fraß, und sie interessieren sich auch nur für fast food. aber das war nicht der fall. im gegenteil! großes interesse, große begeisterung, hohes qualitätsbewusstsein. das ist doch schön!

meine gedanken streiften weiter. viele der rückmeldungen gehen in die richtung: man muss bei den kindern anfangen mit dem gespür für gutes essen, weil wenn sie’s von anfang an kriegen, dann bleibt’s ihnen für immer. ich sehe das genauso. als wissenschaftlerin wie als gesellschaftsmitglied. ich wurde ja esstechnisch von meiner oma sozialisiert. mit gemüsegarten-regional-saisonal-frisch-küche. meine lieblingsspeisen als kind waren linsen mit semmelknödel sowie dillsoße mit selbiger beilage. ok, und das paprikahendl von der oma. mit zerkochten bandnudeln, davon habe ich mich ausnahmsweise wegentwickelt. die regional-saisonal-frischkoch-oma und ihr kochsalat mit erbsen waren auch der grund für unser kochbuch (omas bio-küche im kneipp-verlag) und überhaupt auch, warum ich essenstechnisch jetzt so drauf bin. meine beiden brüder wurden nur mehr teilsozialisiert von der oma, weil die mutter, als es dann drei von unserer sorte gab, doch ein zeitl zu hause blieb und selbst den kochlöffel schwang. von diesen beiden brüdern ist einer eh schon lange selber kochend. der andere, dereinst der begnadeste das-kleinste-fuzerl-zwiebel-aus-der-homogensten-soße-isolierer und -abscheider, genereller gemüseverweigerer und noch vor gar nicht allzu langer zeit dem thema essen hauptsächlich mit wurschtigkeit begegnender, hat mittlerweile ein biokistl abonniert, schloss sich jüngst katharina seisers meinung über die nicht-zufriedenstellende qualität der schwedenbomben an (ein erdrutsch, vergleichbar mit dem jüngsten in kärnten) und tut neuerdings sogar selber wurschten. was ich damit sagen will: der gute boden ist das wichtigste. da wächst dann einfach das beste drauf. auch wenn’s vielleicht einmal ein paar ([post-] pubertäre) jahre dauert.

mein klaus, noch mehr kind der 70er als ich, ist ja davon überzeugt, dass sich die umweltbewegung in österreich sozusagen children-up entwickelt hat. zumindest behauptet er, dass in seiner familie er es war, der als schüler die mülltrennung von der schule nach hause gebracht und daheim eingeführt hätte. sagen wir, es war so. und sagen wir, das funktioniert mit dem qualitätsbewusstsein beim essen analog. oh, ich freue mich!